Via Regia - unterwegs mit Pilgern, Königen und Vagabunden - Reisen auf des Reiches Straße

Via Regia - unterwegs mit Pilgern, Königen und Vagabunden  Reisen auf des Reiches StraßeWächtersbach. Der Heimat- und Geschichtsverein Wächtersbach hatte zu seinem ersten Vortrag im Jahr 2024 in den kleinen Saal der Heinrich-Heldmann-Halle eingeladen. Über 70 geschichtlich Interessierte waren dem Aufruf gefolgt.

Der Vortrag von Gudrun und Reinhard Kauck widmete sich der Via Regia, in der Region sicher besser bekannt als Frankfurt-Leipziger-Straße oder auch alte Heerstraße. Die Via Regia führt 4.500 Kilometer von Santiago de Compostella nach Kiew. Die Referentin Gudrun Kauck nahm die Besucher mit auf ein ca. 85 Kilometer langes Teilstück der Via Regia von Hanau bis Fulda. Bedingt durch die Kleinstaaterei mussten dabei 11 Zollschranken passiert werden und außerdem Brückengeld, Pflastergeld und Chausseegeld bezahlt werden - und das für Straßen, die teilweise diese Bezeichnung nicht verdienten.

Auf der Straße begegnete man vielen verschiedenen Reisenden. Da waren die Kurfürsten, die nach Frankfurt zur Wahl eines neuen Kaisers fuhren, oder die Händler mit großen, schwer beladenen Wagen mit Stoff, Holz, Honig, Gewürze und Wachs, kleine Kaufleute mit Handkarren oder Kiezen auf dem Rücken. Unterwegs waren auch Postillone und Postkutschen, Handwerker, Handwerksgesellen auf Wanderschaft, Pilger, Scherenschleifer, Soldaten, uva. Da die Straße unter dem Schutz des Königs stand, wurden gegen Schutzgeld auch Geleitzüge angeboten, die die Reisenden vor Überfällen schützten.

Viele Spuren führten zum Kaiser der Franzosen, Napoleon I., der sieben Mal über die Straße zu seinen Feldzügen gen Ost zog - und natürlich auch wieder zurück. Bei seinem Feldzug 1812 gegen Russland zog Napoleon mit über 400.000 Soldaten über die Via Regia. Nach der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 und den verschiedenen vorherigen Schlachten blieben nur ca. 100.000 Franzosen übrig, die zum Teil schwer verwundet waren und zum größten Teil schwere Krankheiten wie ansteckenden Typhus, das „hitzige Nervenfieber“, hatten. Die Bevölkerung an der Straße musste die Soldaten und die Pferde versorgen, obwohl sie selbst durch die vielen Durchzüge schon nichts mehr hatten. Und sie steckten sich zudem noch am Typhus an und starben. In Wirtheim wurden 160 Soldaten außerhalb der Stadtmauer beerdigt, weil der Friedhof zu klein geworden war.

Aber auch auf andere Art ist Napoleon uns noch heute in Erinnerung. In Aufenau war ihm der Weg durch den Ort zu umständlich und er hat deshalb den Kirchhof neben der Kirche entfernen lassen und den Hang auf Straßenbreite abgetragen lassen. Der Engpass war beseitigt und so verläuft auch heute noch die Straße. Hier hängt an der Mauer auch ein kleines Schild, das auf die Via Regia hinweist. Auch in Gelnhausen wurde durch seine Armee ein Stück der Stadtmauer neben dem Haitzer Turm abgerissen und der Weg um den engen Turm herum verlegt.

Via Regia - unterwegs mit Pilgern, Königen und Vagabunden  Reisen auf des Reiches StraßeJohann Wolfgang von Goethe reiste neun Mal auf der Straße nach Leipzig und Weimar. Seine verschiedenen Reiseerlebnisse schildert er in seinem Roman „Dichtung und Wahrheit“.

Es gibt viele Ereignisse, die sich auf und neben der Straße ereigneten, die seit dem Mittelalter (etwa seit 1100) durch das Tal der Kinzig führt, nachdem sie zuvor über die Höhenzüge als „Hohe Straße“ geführt hatte. Die Straße verlief auch durch die engen Straßen von Gelnhausen, die als freie Reichsstadt Sonderrechte hatte. So mussten die Händler, die auf dem Weg zu den Verkaufsmessen in Leipzig oder Frankfurt waren, ihre Waren drei Tage in Gelnhausen feil halten. Erst dann ging der Weg weiter durch die Kinzigfurth oder später die Kinzigbrücke nach Höchst. Dort führte der Weg steil bergan zum Wirtheimer Pass und dann auch wieder steil bergab. Wirtheim wurde passiert und die erst seit 1770 chaussierte Straße führte zur „Eisernen Hand“, dem Abzweig des Sälzerweges in Richtung Orb. Die Via Regia musste den Aufenauer Berg überwinden, was den Wagen viele Probleme machte und nur mit Vorspann gemeistert werden konnte. Viele heute noch sichtbare Lasen im Wald erinnern an diese Zeit.

Aufenau war bei den Reisenden wenig beliebt, weil in dem kleinen Forstmeister‘schen Ländchen die Straße besonders schlecht war, man aber trotzdem Zoll und Wegegeld bezahlen musste. In Salmünster führte die Straße dann mitten durch den Ort, in dem es viele Handwerker und Gaststätten für die Reisenden gab. Weiter verlief der Weg dann nach Steinau an der Straße, wo man noch heute ein Stück der alten Handelsstraße sehen kann, die früher durch die Kinzigauen führte. Dann kam Schlüchtern und man konnte sich schon darauf einstellen, dass bald der Distelrasen zu überwinden sein würde. Anders als heute verlief die Straße früher über die Klosterhöfe Drasenberg und Gomfritz. Für die beladenen Wagen war die Strecke nur mit Vorspann zu bewältigen. Dann ging der Weg weiter in Richtung Neuhof. Hier wurde 2017 ein Stück der alten Straße neben Schloss Neuhof entdeckt, die ursprünglich einmal aus Holzbalken und Pfählen bestand. Dentrochronologisch wurde das Alter des Holzes auf 1620 bis 1640 bestimmt. Über einen schon früh chausseeartig gut ausgebauten Straßenabschnitt führte die Via Regia dann nach Fulda, wo man weiter Richtung Leipzig reisen konnte, oder über andere Altstraßen in andere Richtungen.